19.05.2025

Struktur schafft Vertrauen: Wie Prozessbegleitung Veränderung möglich macht

Von Jürg Kraft | Coach – Führungscoach – Mediator – Prozessbegleiter

  1. Vertrauen entsteht durch Klarheit

Organisationen und Institutionen stehen heute unter permanentem Veränderungsdruck. Politische Gremien, Leitungsgruppen, Verwaltungseinheiten oder Teams müssen sich immer wieder neu ausrichten. Dabei erleben viele:

Nicht die Ziele der Veränderung sind das Problem – sondern der Weg dorthin.

Wenn Beteiligte nicht wissen, woran sie sind, wer was entscheidet oder wie sie mitwirken können, entsteht Unsicherheit. Wer sich nicht gesehen oder übergangen fühlt, zieht sich zurück. Die Folge: stockende Prozesse, schwelende Konflikte, schwindendes Vertrauen.

„Veränderungen scheitern häufig nicht am Ziel, sondern am Prozess, wie sie umgesetzt werden. Fehlt die Transparenz, entsteht Widerstand.“
(Wilfried Krüger, Excellence in Change, 2006)

Hier setzt umsichtige Prozessbegleitung an: Sie sorgt für Orientierung, Beteiligung und tragfähige Strukturen.

2. Drei Beispiele aus der Praxis

2.1 Politisches Gremium mit Spannungen zwischen alten und neuen Mitgliedern

Ein politisches Leitungsgremium war nach den letzten Wahlen neu zusammengesetzt worden. Die langjährigen Mitglieder beklagten, dass ihnen der Einfluss entgleite. Die Neuen fühlten sich durch informelle Machtstrukturen blockiert. Die Sitzungen wurden zäh, Entscheidungsprozesse undurchsichtig, Spannungen wuchsen.

In einem moderierten Prozess wurden Rollen, Erwartungen und Entscheidungswege geklärt. Ein transparenter Jahresplan und neue Formen der Zusammenarbeit wurden gemeinsam entwickelt.

Das Vertrauen wuchs wieder – weil der Rahmen für die gemeinsame Arbeit stimmte.

„Strukturen geben den Beteiligten Sicherheit. Ohne klare Zuständigkeiten und Abläufe entstehen Missverständnisse und Konflikte.“
(Lutz von Rosenstiel, Grundfragen der Organisationspsychologie, 2015)

2.2 Verwaltungseinheit im Umbruch

In einer kantonalen Verwaltung sollte eine Organisationseinheit neu ausgerichtet werden. Die Leitung hatte klare Ziele, doch intern war die Kommunikation diffus. Mitarbeitende wussten nicht, wohin die Reise geht, wer was sagen darf und wie ihre Rückmeldung gefragt ist. Frust machte sich breit.

Durch gezielte Prozessbegleitung wurden Informationen gebündelt, Dialogräume geschaffen und Rollen geschärft. Die Beteiligten konnten Sorgen wie Ideen einbringen.

So wurde nicht nur das Ziel klarer – sondern auch der Weg dorthin verbindlicher.

„Ein Beteiligungsprozess erhöht die Akzeptanz von Entscheidungen und trägt dazu bei, Widerstände zu minimieren.“
(Friedrich Glasl, Konfliktmanagement, 2011)

2.3 Kirchliche Organisation mit Spannungen im Leitungsteam

In einer Pfarrei gab es Irritationen über die Zusammensetzung und Rolle einer Spurgruppe im Rahmen eines synodalen Entwicklungsprozesses. Unterschiedliche Erwartungen im Seelsorgeteam und unter den örtlichen Verantwortlichen führten zu Spannungen und Verunsicherung.

Ein gemeinsamer Startworkshop mit Standortanalyse schuf Raum für Klärung:
Was sind die nächsten Schritte?
Wer trägt Verantwortung wofür?
Wie gelingt Kommunikation in einem komplexen Leitungssystem?

Die erarbeitete Prozessstruktur half, Vertrauen wieder aufzubauen und die Zusammenarbeit konstruktiv zu gestalten.

„Wo Menschen gemeinsam Verantwortung tragen, braucht es klare Vereinbarungen über Rollen, Aufgaben und Entscheidungswege.“
(Rolf Arnold, Wie man lehrt, ohne zu belehren, 2014)

3. Prozessstruktur ist kein Korsett, sondern ein Rahmen

Eine gut gestaltete Prozessarchitektur ist keine Bürokratie, sondern eine Einladung:
Sie zeigt, wer wann wie einbezogen wird, was verhandelbar ist und wo Entscheidungen liegen.

Struktur schafft Handlungssicherheit und Beteiligung. Beides ist wesentlich, wenn Vertrauen wachsen soll.

„Struktur ist nicht das Gegenteil von Freiheit, sondern ihre Voraussetzung.“
(Peter Bieri, Eine Art zu leben, 2013)

4. Kompetente Prozessbegleitung bietet:

  • Klärung von Rollen, Erwartungen und Entscheidungswegen
  • Moderation von Workshops, Gremien oder Beteiligungsprozessen
  • Unterstützung von Leitungspersonen in Veränderungssituationen
  • Aufbau tragfähiger Kommunikations- und Feedbackkulturen

Denn:

Struktur ist nicht das Ziel – sie ist das Fundament, auf dem Vertrauen, Zusammenarbeit und Veränderung wachsen können.

Jürg Kraft, Mai 2025

 

Literaturverweise (Auswahl):

  • Arnold, Rolf (2014): Wie man lehrt, ohne zu belehren. Beltz.
  • Bieri, Peter (2013): Eine Art zu leben. Hanser.
  • Glasl, Friedrich (2011): Konfliktmanagement. Haupt Verlag.
  • Krüger, Wilfried (2006): Excellence in Change. Gabler Verlag.
  • Rosenstiel, Lutz von (2015): Grundfragen der Organisationspsychologie. Schäffer-Poeschel.